Was man aus einer Hütte, einigen Briefen und vielen Menschen lernen kann.
Johannes, ein junger deutscher Freiwilliger, erzählt was ihn alles auf seinem Besuch in Choma bewegt hat.
Ein Besuch in Choma
Eigentlich sollten wir schon viel früher losgekommen sein. Aber um elf Uhr stehe ich immer noch bei St. Peter’s by the Lake, der Kirche, wo ich für ein Jahr als Freiwilliger arbeite. Nach Zambia ist es ein langer Weg, und die Verzögerung zeigt eindeutig, dass es nicht einfach ist, dort hinzu kommen. Es gibt viel vorzubereiten. Schließlich kommt Monique mit Auto und Anhänger auf den Hof gefahren, beides bis zum Dach beladen. Wir nehmen gleich vier neue Computer und Bildschirme mit, etwas Klopapier, 150 Wollmützen, einen Tisch, eine Kiste Äpfel, einen großen Sack voll Brot, Liederbücher, Tafelkreide, Briefumschläge und Papier. Das Projekt kann alles gebrauchen. Nachts weichen wir erfolgreich vielen Kühen, Eseln und Schlaglöchern aus und kommen schließlich drei Tage später und 1800km weiter in Choma an. Es ist immer schwer zu sagen, wie man sich einen bestimmten Ort vorstellt, wenn man noch nie dagewesen ist. Aber Choma ist trotzdem irgendwie anders. Um ehrlich zu sein, wir sind etwas geschockt. Das Haus steht in einer kleinen Wohnsiedlung, überall sind Sandstraßen, kleine Maisfelder und Zäune aus Stroh. Wir treten ein, sehen die einfach mit Postern behängten Wände, eine kleine Küche, ein Badezimmer ohne Duschvorhang. Es ist das erste Mal, dass wir eine richtig arme Gegend in Afrika besuchen. Südafrika und vor allem Joburg ist nicht damit zu vergleichen.
In den nächsten Tagen stellen wir fest: Es ist überhaupt nicht schlimm, keinen Duschvorhang zu besitzen. Und es geht viel schneller als man denkt, sich daran zu gewöhnen. In den nächsten Tagen schauen wir im Wesentlichen jede Veranstaltung des Mmabana Community Outreach Projects an. Beim Computer-Unterricht dürfen wir auch etwas erklären, vielleicht 10 junge Erwachsene hören zu, wie man Dateien kopiert und einfügt. Dieses Wissen kann ihnen vielleicht einmal zu einem guten Job verhelfen.
Das wohl prägenste Erlebnis ist ein „Outreach“ in die extrem armen Viertel von Choma. Zusammen mit ein paar Helfern gehen wir in eine andere Hüttensiedlung. Die Straßen werden schlechter, Abfall fließt im Regenwasser über die Sandwege. Es stinkt. Wir kommen an einem Marktplatz vorbei, jeder kleine Stand ist ein Gerüst aus Ästen. Schließlich machen wir an einer Hütte halt, eine alte Frau sitzt davor. Die einheimischen Freiwilligen stellen sich vor, fragen, ob wir ihr helfen dürfen. (Davon verstehen wir natürlich nichts.) Da bietet sich uns wohl eins der schlimmsten Dinge, die wir jemals gesehen haben: Die Hütte ist zwar gemauert, hat aber nur ein ganz kleines Fenster. Macht man die Tür zu, ist es dunkel. Die alte Frau schläft auf dem Boden, ihr Bett hat zwei Pfosten verloren. Sie beschwert sich über die Ratten. Sie kann sich nur noch schwer bewegen, und muss zusätzlich noch auf zwei Enkelkinder aufpassen. Wir räumen die wenigen Dinge aus der Haus heraus, fegen, machen sauber. Dann waschen wir ihr Geschirr und ihre Kleidung. Die ganze Zeit bin ich geschockt, über das, was ich sehe. Aber es ist gut zu wissen, dass man dieser alten Frau wenigstens ein kleines bisschen helfen kann. Und was soll man auch sonst tun? Ihr eine bessere Hütte zu geben wäre zwar möglich, aber was ist dann mit den vielen anderen Menschen, die genauso leben? Dafür gäbe es kein Geld. Und so stehen außerdem der persönliche Einsatz und Liebe im Vordergrund.
Beim Kidsclub erleben wir die Einfachheit Afrikas: Wir sind für das Programm an diesem Samstag zuständig. Problem: es sind 150 Kinder! Aber es ist überhaupt nicht schwer. Wir bringen ihnen ein Lied mit Bewegungen bei, und nachdem wir es zwei Mal vorgesungen haben, sind alle mit dabei. Dann erzählen wir noch einen Bibelgeschichte, die Kindersegnung. Schnell finden sich 20 Kinder, die mal eben so ein Drama daraus machen. Das stelle man sich einmal in Deutschland vor.
Das Programm für die Jugendlichen ist genauso einzigartig. Eigentlich sind es gar keine Jugendlichen, sondern junge Erwachsene (18 und älter). Manche Frauen kommen mit Baby, meistens ist es nicht ihr erstes Kind. Schwangerschaften bei Teenagern sind ein großes Problem in der Region. Weil es an diesem Tag internationalen Besuch gibt, singen sie uns ein Willkommens-Lied. Die Strophen werden von einem Jugendlichen gerappt. Irgendwie, ich kann nicht genau sagen, woran es liegt, klingt es ehrlich und echt. Später unterhalten wir uns viel mit ihnen. Jeder einzelne, ausnahmslos, ist so freundlich zu uns! Es scheint, als wären wir alte Freunde. Manchmal werden wir nach manchen, unter anderem materiellen, Dingen gefragt. Aber im Vergleich zu Joburg, wo man an jeder Ecke nach Geld gefragt wird, ist es hier anders. Auch wenn es total utopisch ist, dass mich jemand aus Choma in Deutschland besuchen kommen kann, die Frage wurde nicht gestellt, weil ich reich bin, sondern, weil meine Persönlichkeit geschätzt wurde. Dass so die Grenzen von Arm und Reich überwunden werden, habe ich in Afrika noch nicht erlebt.
Nach einer kleinen Andacht gibt es Gelegenheit für jeden, uns Gästen einen Brief zu schreiben. Das, was wir hinterher lesen, ist definitiv eins der Highlights der paar Tage in Choma. Fast jeder sagt überschwänglich Danke, für alles, was wir ihnen gegeben haben! Sie wünschen uns alles Gute, freuen sich an allem, was sie von uns lernen konnten, segnen uns. Wir fragen uns: was genau ist das eigentlich, was wir ihnen gegeben haben? Wir sind doch hier nur zu Besuch. Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Vielleicht waren wir eine Art Attraktion. Aber auf jeden Fall haben wir unglaunlich viel von ihnen gelernt: freundlich und fröhlich zu sein, sich an den einfachen Dingen zu freuen, und dass Reichtum auf keinen Fall glücklich macht.
Danke, dass ihr uns das beigebracht habt, liebe Freunde in Choma!
Johannes